15.07.2024 - Allgemein, DGLR-Inforadar, Raumfahrt

Juice fliegt an Mond und Erde vorbei

Die ESA-Mission Juice (Jupiter Icy Moons Explorer) wird vom 19.-20. August zur Erde zurückkehren, wobei das Flugkontrollteam das Raumfahrzeug zunächst am Mond und dann an der Erde selbst vorbeiführen wird. Dieses Manöver wird Juice über eine Abkürzung an der Venus vorbei zum Jupiter bringen.


Quelle: ESA

Es ist eine doppelte Weltpremiere. Der erste Vorbeiflug an Mond und Erde sowie das erste Doppelmanöver zur Schwerkraftumlenkung. Dabei werden die Geschwindigkeit und Richtung von Juice geändert, um ihren Kurs durch den Weltraum zu modifizieren, doch es ist ein gewagtes Unterfangen; der kleinste Fehler könnte Juice vom Kurs abbringen und das Ende der Mission bedeuten.

Nach dem Start von Juice im April 2023 ist dieser Vorbeiflug an Mond und Erde der erste Schritt im „Walzer“ der Sonde durch das Sonnensystem auf ihrer Reise zum Jupiter.
Während des Vorbeiflugs wird die Anziehungskraft der Erde die Bahn von Juice durch den Weltraum krümmen, sie sozusagen „abbremsen“ und auf den Kurs für einen Vorbeiflug an der Venus im August 2025 umleiten. Von diesem Moment an werden die Energieschübe beginnen, Juice wird von der Venus und dann zweimal von der Erde beschleunigt - das Weltraum-Äquivalent zum Trinken von drei Espressi hintereinander.

Wozu braucht man das alles?

Jupiter ist im Durchschnitt „nur“ 800 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Ohne eine riesige Rakete zur Verfügung würde der direkte Transport von Juice zum Riesenplaneten 60 000 kg Treibstoff an Bord erfordern, ein Ding der Unmöglichkeit. Darüber hinaus müsste Juice eine enorme zusätzliche Menge an Treibstoff mitführen, um sich selbst genug abzubremsen, damit sie nach ihrer Ankunft in eine Umlaufbahn um den Jupiter gelangen kann, anstatt einfach vorbeizuschnellen und ins Weltall hinauszutreiben.

Juice nimmt also die „touristische“ Route durchs Sonnensystem und nutzt die Schwerkraft anderer Planeten, um ihre Bahn durch den Weltraum sorgfältig anzupassen und sicherzustellen, dass sie mit der richtigen Geschwindigkeit und Richtung am Jupiter ankommt. Diese unglaublich komplexe, sich ständig weiterentwickelnde Route hat das engagierte Missionsanalyse-Team von Juice in den letzten 20 Jahren sorgfältig geplant.

Es erscheint kontraintuitiv, dass die Verlangsamung von Juice durch den Mond-Erde-Vorbeiflug an diesem Punkt der Reise effizienter ist als eine Beschleunigung durch den Vorbeiflug. Hätten wir diesen Vorbeiflug genutzt, um Juice einen Schub in Richtung Mars zu geben, hätten wir jedoch lange auf den nächsten planetaren Vorbeiflug warten müssen. Dieses erste „Brems“- Manöver ist also eine Möglichkeit, eine Abkürzung durch das innere Sonnensystem zu nehmen.


Wie funktioniert das Ganze?

Das Flugkontrollteam der Mission hat die Flugbahn von Juice bereits angepasst, um sicherzustellen, dass sie zuerst den Mond erreicht, dann einen Tag später die Erde und zwar genau zur richtigen Zeit, mit der richtigen Geschwindigkeit und in der richtigen Richtung. Obwohl alle zuversichtlich sind, dass das Manöver erfolgreich sein wird, ist es eine große Herausforderung, vor der bisher noch keine andere Weltraummission stand.

Der Flugdirektor von Juice, Ignacio Tanco, sagt: „Es ist, als würde man einen sehr schmalen Korridor sehr, sehr schnell durchqueren: auf Maximum zu beschleunigen, während die Fahrbahnkante gerade mal Millimeter entfernt ist."

Juice wird sowohl dem Mond als auch der Erde extrem nahekommen, sodass bei allen Navigationsmanövern Genauigkeit in Echtzeit erforderlich ist. Vom 17.-22. August steht Juice in ständigem Kontakt mit Bodenstationen auf der ganzen Welt. In jeder Sekunde des Weges, bei Tag und Nacht, werden die Kontrollteams die Daten von Juice sorgfältig überwachen und auch kleinste Anpassungen vornehmen, wenn sie erforderlich sind, um die Sonde auf dem richtigen Kurs zu halten.

Bonus-Wissenschaft!

Als ob es nicht ausreichen würde, Juice um zwei enorme Hürden im All zu lenken, wird die ESA noch dazu zehn wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Raumfahrzeugs aktivieren, während es an Mond und Erde vorbeizieht.

Der Vorbeiflug an Mond und Erde bietet Instrumententeams eine erstklassige Testumgebung, um erstmals Daten von einer realen Oberfläche im Weltraum zu sammeln und zu analysieren. Für einige Instrumente ist dies die einzige Gelegenheit, während Juices gesamter achtjähriger Reise zum Jupiter bestimmte Messungen vorzunehmen. Sie wird Wissenschaftler*innen und Ingenieur*innen die Möglichkeit geben, ihre Instrumente zu kalibrieren, verbleibende Probleme zu lösen, und wer weiß, sie könnten sogar einige überraschende wissenschaftliche Entdeckungen machen.

Der Vorbeiflug an Mond und Erde ist besonders wichtig für das Radar zur Erforschung eisiger Monde (RIME) an Bord – die RIME-Daten werden durch ein elektronisches Rauschen an Bord gestört.

Der Vorbeiflug am Mond am 19. August ist für das RIME-Team eine von nur wenigen Gelegenheiten vor der Ankunft am Jupiter, um zu überprüfen, wie sich dieses Geräusch auf die Leistung des Instruments auswirkt. Während der nächsten Annäherung an den Mond wird RIME acht Minuten Zeit haben, um alleine zu beobachten, während die anderen Instrumente entweder ausgeschaltet oder in den Ruhemodus versetzt werden. Basierend auf diesen Beobachtungen wird das RIME-Team an einem Algorithmus arbeiten, um das Geräuschproblem zu beheben.

Wie können Sie alles mitverfolgen?

Ein paar Glückliche können Juice wahrscheinlich beobachten, während die Sonde direkt über Südostasien und den Pazifik fliegt. Ein leistungsstarkes Fernglas oder ein Teleskop geben Ihnen die beste Chance, das Raumfahrzeug zu sehen. Trajektoriendaten finden Sie hier.

Währenddessen werden die beiden Bordkameras von Juice während des gesamten Vorbeiflugs an Mond und Erde Fotos aufnehmen, die wir über die sozialen Medien und unseren Rocket Science-Blog veröffentlichen werden, sobald sie auf der Erde empfangen werden.

Quelle: https://www.esa.int/Space_in_Member_States/Germany/Juice_fliegt_an_Mond_und_Erde_vorbei_alle_wichtigen_Informationen